Samstag, 7. Februar 2015

Heute, jetzt und damals

Heute bekommt ihr eine kurze Beschreibung von meinem Tag, denn den möchte ich gerne mit euch teilen. Also:

Freitag,  6.2.2015

8:56 Uhr: „Klara bist du wach?“ Franzi steht vor meiner Tür. Völlig verschlafen krieche ich unter dem Moskitonetz hervor. In der Küche ist Franzi schon fertig angezogen und kocht Wasser auf. Schlecht geschlafen und dann auch noch Unterleibschmerzen wegen meinen Tagen. Fängt ja gut an heute.

Wir frühstücken zusammen. Mamas Tee macht meine Bauchschmerzen schon besser.

Franzi geht dann vor, weil sie das freie Internet von einem Freund nutzen will um nach Jobs und Ausbildungen zu suchen. Ich ziehe mich an, dreh Musik auf und spüle das Geschirr, dass sich seit einer Woche auf der Spüle anhäuft. Dann mache auch ich mich auf den Weg.

10:05 Uhr: „Muzungu, muzungu, how are you?“ rufen die Kinder auf dem Weg. Heute nerven sie mich. Kann man denn nie ohne aufzufallen, einfach mal nicht so motiviert durch die Straßen laufen? Mit einem halbherzigen „Fine. How are you?“ geben sie sich trotzdem zufrieden. Gestern habe ich mich mit einem Freund gestritten, obwohl wir uns vertragen haben fühlt es sich scheiße an jetzt.

10:11 Uhr: Allan und Emily sind im Office, beide mit ihren eigenen Sachen beschäftigt. Nichts zu tun heute. „Klara, was ist los mit deinem Gesicht, du hast so viele Pickel“ kommt prompt als Begrüßung. Guten Morgen, ich hab euch auch lieb. Allan merkt dann doch dass meine Laune nicht so besonders ist und wir gehen raus um eine dieser riesigen Früchte zu schneiden, die letzte Woche vom Baum vorm Office gefallen sind. Cranmer und eine Freundin von ihm kommen vorbei und helfen zu schälen und zu essen. Es wird viel Runjankore gesprochen und gelacht dass ich nicht so gut Jackfruit schälen kann wie sie. Das Zeug klebt wie Hölle. Wir haben alle Plastiktüten um die Hände gebunden und trotzdem kleben meine Finger hinterher zusammen. Wir bringen ein bisschen was von der Frucht zu Franzi und Blick. Schmeckt richtig gut und süß.

11:46 Uhr:  Eine Vertrauenslehrerin unserer Rot-Kreuz-Schulgruppen kommt für das Meeting. Das Meeting ist um 14:00 Uhr. Sie dachte es wäre schon um 9. Zu früh sein, das ist man nicht gewohnt. Emily und ich reden kurz über das bevorstehende Meeting, drucken ein paar Projektpläne aus und stellen mehr Stühle in den Besprechungsraum.

Ich setze mich an einen Tisch und lese. Ein Buch über die Machtgeschäfte, Ausbeutungen und all die großen mitwirkenden Konzerne der Welt. Es macht mich wütend. Wusstet ihr dass es auf der Erde genug Ressourcen und Bedingungen gibt um 12 Milliarden Menschen zu ernähren? Wir leben hier momentan mit ca. 7 Milliarden Menschen.

14:16 Uhr: Die ersten Lehrer kommen für das Meeting.

14:49 Uhr: Wir fangen an. Es sind 8 von 12 Leuten gekommen. Wir besprechen mit den Lehrern was wir dieses Jahr vorhaben. Besonders das Jugendcamp ist Thema. Aber auch die Baumpflanzaktionen, Erste Hilfe Kurse, und Schwierigkeiten im letzen Jahr wurden besprochen.

16:36 Uhr: Meeting zuende. Bisschen smaltalk, dann weiter lesen.

17:20 Uhr: Auf dem Weg nach Hause stoppen wir bei einem Freund, um kurz hallo zu sagen. Wir reden über das Schulsystem in Deutschland und Uganda. Er ist Lehrer aber das ist in Uganda ein schlecht bezahlter Job, trotz der hohen Schulkosten. Hier im Westen Ugandas sind fast alle Schulen privat. Im Osten und Norden gibt es auch staatliche Schulen, in denen die Schüler gerade lesen und schreiben lernen. „Warum ist der Unterschied zwischen Westen und Osten/Norden so groß?“ fragen wir. „Ihr wisst ja das ich aus dem Osten komme“ fängt Morris an und dann erzählt er uns seine Geschichte. Dort im Osten und Norden haben verschiedene Stämme gegeneinander gekämpft, sich um Land und Tiere braubt. Dann kamen die Rebellen. Den Namen Joseph Kony habe ich auch vorher schonmal gehört. Er ist für seine riesige Armee von Kindersoldaten bekannt.  Das staatliche Militär von Uganda sollte eingreifen, aber das ist nicht so geschehen wie es sollte. Von da an wurden Tag und Nacht Häuser überfallen. Die Rebellen um alles auzurauben und Kinder mitzunehmen, das Militär um nach Rebellen zu suchen und alles auszurauben.

Morris Familie wurde zweimal vom Militär besucht. Das erste Mal nachts, als alle am schlafen waren.  Sie kamen um nach versteckten Rebellen zu suchen. Sein Vater sah dummerweise einem Rebellen auf einem Foto ähnlich. Als er leugnete das zu sein, wurde er auf die Knie geprügelt, geschlagen, geschlagen und geschlagen. Das Haus wurde weiter durchsucht, Rebellen haben sie keine gefunden aber dafür genug anderes zum mitnehmen.

„Auf den Straßen wurde jeder verdächtige so gefesselt, dass die Ellbogen sich hinter dem Rücken berührten und dann in Bäume gehängt“ er versucht uns zu zeigen wie schwer es ist, die Ellbogen auf den Rücken zu binden.

Das zweite Mal war es tagsüber und sie sind wegen seinem Vater zurückgekommen. Der war nicht da. „Vielleicht wollte Gott das er lebt.“ Aber der Junge, der auf die Kühe des Grudnstückbesitzers aufpasst war da. Weil er sonst draußen schlafen muss und nirgendwo essen kann wurde er von der Familie aufgenommen. Leider war er besonders schwarz. Und das war ein Zeichen für Rebell sein. Ganz egal wie viel dagegen argumentiert wurde, sie haben ihn mitgenommen, zusammengebunden wie alle Rebellen und wochenlang in eine Baracke gesteckt, geschlagen und sonst was getan. Als er sich nicht mehr bewegen konnte, wurde der Familie gesagt sie können ihn wieder haben. Der Junge ist jetzt vermutlich ein Mann, der vielleicht eine Familie hat. Auf jeden Fall aber hat er mit körperlichen Schäden zu kämpfen, von den psychischen mal ganz abgesehen.

Morris ist mit seiner Familie in einen anderen Distrikt geflohen.

„Zu der Zeit wurden Menschen in Container gesteckt und unter dem Container wurde Feuer gemacht. Man musste auf seine schon toten Freunde und Familie treten um zu überleben. Wenn es überaupt eine Chance gab. Man wusste nicht mehr ob die Rebellen oder die Soldaten der Feind ist.“

 Jetzt ist Frieden in Uganda. Die Rebellen sind in ein anderes Land übergegangen. Die Menschen im Osten und Norden leiden aber immer noch an den Folgen. Von Hilfsorganisationen und auch von der Regierung gibt es nun viele Projekte. Das alles macht aber nicht gut was damals passiert ist. Das ganze ist vielleicht 10/15 Jahre her. Morris war 13 als er all das mit angesehen hat.

20:00 Uhr: Mit flauem Magen bedanken wir uns, es ist eindeutig dass es ihm nicht leicht gefallen ist darüber zu reden. Anstatt kurz hallo zu sagen wurde uns eine schreckliche Geschichte anvertraut.

20:10 Uhr: Wir kommen nach Hause, es ist kein Strom da. Automatisch zünden wir die Kerzen an, die schon auf dem Tisch bereit stehen. Zwei Minuten später kommt der Strom wieder.

Der Kühlschrank ist voll mit Gemüse und Obst. Wir kochen noch aber Apetit habe ich nicht. Das Essen schmeckt gut, wie immer. Wir reden noch lange über was wir heute gehört haben. Wir kennen Geschichten wie diese. Aber noch nie saß jemand vor mir, der an seinen Händen geknetet hat und mich beim Erzählen mit großen Augen angeschaut hat. Später machen wir noch Schokolade auf und hängen in unseren Gedanken. Ich schreibe dem Freund noch, dass ich ihm eine gute Nacht wünsche.
Das Einzige was ich heute Abend vor dem schlafen gehen sagen werde ist DANKE.