Freitag, 6.2.2015
8:56 Uhr: „Klara bist du wach?“ Franzi steht vor meiner Tür.
Völlig verschlafen krieche ich unter dem Moskitonetz hervor. In der Küche ist
Franzi schon fertig angezogen und kocht Wasser auf. Schlecht geschlafen und
dann auch noch Unterleibschmerzen wegen meinen Tagen. Fängt ja gut an heute.
Wir frühstücken zusammen. Mamas Tee macht meine
Bauchschmerzen schon besser.
Franzi geht dann vor, weil sie das freie Internet von einem
Freund nutzen will um nach Jobs und Ausbildungen zu suchen. Ich ziehe mich an,
dreh Musik auf und spüle das Geschirr, dass sich seit einer Woche auf der Spüle
anhäuft. Dann mache auch ich mich auf den Weg.
10:05 Uhr: „Muzungu, muzungu, how are you?“ rufen die Kinder
auf dem Weg. Heute nerven sie mich. Kann man denn nie ohne aufzufallen, einfach
mal nicht so motiviert durch die Straßen laufen? Mit einem halbherzigen „Fine.
How are you?“ geben sie sich trotzdem zufrieden. Gestern habe ich mich mit
einem Freund gestritten, obwohl wir uns vertragen haben fühlt es sich scheiße
an jetzt.
10:11 Uhr: Allan und Emily sind im Office, beide mit ihren
eigenen Sachen beschäftigt. Nichts zu tun heute. „Klara, was ist los mit deinem
Gesicht, du hast so viele Pickel“ kommt prompt als Begrüßung. Guten Morgen, ich
hab euch auch lieb. Allan merkt dann doch dass meine Laune nicht so besonders
ist und wir gehen raus um eine dieser riesigen Früchte zu schneiden, die letzte
Woche vom Baum vorm Office gefallen sind. Cranmer und eine Freundin von ihm
kommen vorbei und helfen zu schälen und zu essen. Es wird viel Runjankore
gesprochen und gelacht dass ich nicht so gut Jackfruit schälen kann wie sie.
Das Zeug klebt wie Hölle. Wir haben alle Plastiktüten um die Hände gebunden und
trotzdem kleben meine Finger hinterher zusammen. Wir bringen ein bisschen was
von der Frucht zu Franzi und Blick. Schmeckt richtig gut und süß.
11:46 Uhr: Eine
Vertrauenslehrerin unserer Rot-Kreuz-Schulgruppen kommt für das Meeting. Das
Meeting ist um 14:00 Uhr. Sie dachte es wäre schon um 9. Zu früh sein, das ist
man nicht gewohnt. Emily und ich reden kurz über das bevorstehende Meeting,
drucken ein paar Projektpläne aus und stellen mehr Stühle in den
Besprechungsraum.
Ich setze mich an einen Tisch und lese. Ein Buch über die
Machtgeschäfte, Ausbeutungen und all die großen mitwirkenden Konzerne der Welt.
Es macht mich wütend. Wusstet ihr dass es auf der Erde genug Ressourcen und
Bedingungen gibt um 12 Milliarden Menschen zu ernähren? Wir leben hier momentan
mit ca. 7 Milliarden Menschen.
14:16 Uhr: Die ersten Lehrer kommen für das Meeting.
14:49 Uhr: Wir fangen an. Es sind 8 von 12 Leuten gekommen.
Wir besprechen mit den Lehrern was wir dieses Jahr vorhaben. Besonders das
Jugendcamp ist Thema. Aber auch die Baumpflanzaktionen, Erste Hilfe Kurse, und
Schwierigkeiten im letzen Jahr wurden besprochen.
16:36 Uhr: Meeting zuende. Bisschen smaltalk, dann weiter
lesen.
17:20 Uhr: Auf dem Weg nach Hause stoppen wir bei einem
Freund, um kurz hallo zu sagen. Wir reden über das Schulsystem in Deutschland
und Uganda. Er ist Lehrer aber das ist in Uganda ein schlecht bezahlter Job,
trotz der hohen Schulkosten. Hier im Westen Ugandas sind fast alle Schulen privat.
Im Osten und Norden gibt es auch staatliche Schulen, in denen die Schüler
gerade lesen und schreiben lernen. „Warum ist der Unterschied zwischen Westen
und Osten/Norden so groß?“ fragen wir. „Ihr wisst ja das ich aus dem Osten
komme“ fängt Morris an und dann erzählt er uns seine Geschichte. Dort im Osten
und Norden haben verschiedene Stämme gegeneinander gekämpft, sich um Land und
Tiere braubt. Dann kamen die Rebellen. Den Namen Joseph Kony habe ich auch
vorher schonmal gehört. Er ist für seine riesige Armee von Kindersoldaten
bekannt. Das staatliche Militär von
Uganda sollte eingreifen, aber das ist nicht so geschehen wie es sollte. Von da
an wurden Tag und Nacht Häuser überfallen. Die Rebellen um alles auzurauben und
Kinder mitzunehmen, das Militär um nach Rebellen zu suchen und alles
auszurauben.
Morris Familie wurde zweimal vom Militär besucht. Das erste
Mal nachts, als alle am schlafen waren.
Sie kamen um nach versteckten Rebellen zu suchen. Sein Vater sah
dummerweise einem Rebellen auf einem Foto ähnlich. Als er leugnete das zu sein,
wurde er auf die Knie geprügelt, geschlagen, geschlagen und geschlagen. Das
Haus wurde weiter durchsucht, Rebellen haben sie keine gefunden aber dafür
genug anderes zum mitnehmen.
„Auf den Straßen wurde jeder verdächtige so gefesselt, dass
die Ellbogen sich hinter dem Rücken berührten und dann in Bäume gehängt“ er
versucht uns zu zeigen wie schwer es ist, die Ellbogen auf den Rücken zu
binden.
Das zweite Mal war es tagsüber und sie sind wegen seinem
Vater zurückgekommen. Der war nicht da. „Vielleicht wollte Gott das er lebt.“
Aber der Junge, der auf die Kühe des Grudnstückbesitzers aufpasst war da. Weil
er sonst draußen schlafen muss und nirgendwo essen kann wurde er von der
Familie aufgenommen. Leider war er besonders schwarz. Und das war ein Zeichen
für Rebell sein. Ganz egal wie viel dagegen argumentiert wurde, sie haben ihn
mitgenommen, zusammengebunden wie alle Rebellen und wochenlang in eine Baracke
gesteckt, geschlagen und sonst was getan. Als er sich nicht mehr bewegen
konnte, wurde der Familie gesagt sie können ihn wieder haben. Der Junge ist
jetzt vermutlich ein Mann, der vielleicht eine Familie hat. Auf jeden Fall aber
hat er mit körperlichen Schäden zu kämpfen, von den psychischen mal ganz
abgesehen.
Morris ist mit seiner Familie in einen anderen Distrikt
geflohen.
„Zu der Zeit wurden Menschen in Container gesteckt und unter
dem Container wurde Feuer gemacht. Man musste auf seine schon toten Freunde und
Familie treten um zu überleben. Wenn es überaupt eine Chance gab. Man wusste
nicht mehr ob die Rebellen oder die Soldaten der Feind ist.“
Jetzt ist Frieden in
Uganda. Die Rebellen sind in ein anderes Land übergegangen. Die Menschen im
Osten und Norden leiden aber immer noch an den Folgen. Von Hilfsorganisationen
und auch von der Regierung gibt es nun viele Projekte. Das alles macht aber
nicht gut was damals passiert ist. Das ganze ist vielleicht 10/15 Jahre her.
Morris war 13 als er all das mit angesehen hat.
20:00 Uhr: Mit flauem Magen bedanken wir uns, es ist
eindeutig dass es ihm nicht leicht gefallen ist darüber zu reden. Anstatt kurz
hallo zu sagen wurde uns eine schreckliche Geschichte anvertraut.
20:10 Uhr: Wir kommen nach Hause, es ist kein Strom da.
Automatisch zünden wir die Kerzen an, die schon auf dem Tisch bereit stehen.
Zwei Minuten später kommt der Strom wieder.
Der Kühlschrank ist voll mit Gemüse und Obst. Wir kochen
noch aber Apetit habe ich nicht. Das Essen schmeckt gut, wie immer. Wir reden
noch lange über was wir heute gehört haben. Wir kennen Geschichten wie diese.
Aber noch nie saß jemand vor mir, der an seinen Händen geknetet hat und mich
beim Erzählen mit großen Augen angeschaut hat. Später machen wir noch
Schokolade auf und hängen in unseren Gedanken. Ich schreibe dem Freund noch,
dass ich ihm eine gute Nacht wünsche.
Das Einzige was ich heute Abend vor dem schlafen gehen
sagen werde ist DANKE.